Wir hatten einen Familienfreund. Er hieß Vincent. Und Vincent hatte einen Besten Freund, der hieß Martijn. Martijn wohnte zwischen Concertgebouw und Amsterdamse Bos in einem Altbauloft unter dem Dach und hatte eine Katze. Ich weiß nicht mehr wie sie hieß, ich glaube sie hieß einfach poes (sprich: Pus – besser noch: ein Mittelding zwischen Pus und Pusch – Bedeutung: Katze). Sie war schon vierzehn oder sogar siebzehn Jahre alt, genau weiß ich auch das nicht mehr, aber ich weiß noch genau dass sie mager, struppig und übellaunig war, schlecht roch, Diätfutter wegen drohendem Nierenversagen brauchte und fast ihr ganzes Leben als Wohnungs- und Dachkatze verbracht hatte. Mindestens den größten Teil davon in Martijns Gesellschaft.

Unser Lebenstraum, mit anderen befreundeten Handwerkern unterschiedlicher religiöser und spiritueller Herkunft ein metaphysisches Dorf im nordprovençalischen Département Drôme zu gründen war gründlich gescheitert und ich lebte — nachdem dieses Schicksal auch meine Ehe ereilt hatte — mit meinen zwei kleinen Jungs und unserem Kater Chopin am Stadtrand von Amsterdam in einem winzigen Einfamilienhaus. Die Grundfläche des Hauses betrug sechs mal sechs, die des Gartens sechs mal acht Meter. Aber wir konnten zwischen Erdgeschoss und ausgebautem Dachboden sechs Zimmertüren hinter oder zwischen uns zumachen. Und bekanntlich ist ein Haus erst einmal so groß wie die Anzahl der Türen, die man hinter sich zuziehen kann. Und ein Garten mit Terrasse, Markise, Teich, Fahrradschuppen, Sandkasten und Kletterbaum nebst einer Nachbarin mit Hühnern, die sie selbst zu schlachten pflegte war natürlich ein absoluter Traum. Für die Kinder, für Chopin — und daher auch für mich.

Dann erfuhr Martijn, dass seine Katze nur noch wenige Monate zu leben hätte und musste sich entscheiden, ob er sie pflegen oder einschläfern lassen wollte. Er, Vincent, die Kinder, Chopin und ich hielten eine erweiterte Familienkonferenz ab. Martijn erzählte, dass de kat in ihren Jugendjahren einmal Freigängerin gewesen sei und wir kamen — Chopin schnurrte — zu dem einhelligen Ergebnis, dass das Ende des Lebens der Alten Dame, soweit dies möglich war, ihrem Anfang ähneln sollte.

Poes kam zu uns. Chopin sah das gelassen, solange die alte Dame keine Anstalten machte, auf den Tasten unseres kleinen Salonklaviers spazieren zu gehen — eine Marotte, der Chopin gerne frönte und der er seinen Namen verdankte. Ihr erschloss sich der Sinn seines Hobbys nicht, sie hatte ihre eigene Marotte.

Enttäuscht dass es (noch) nicht weiter geht? Schreib mir dass Du auf die Fortsetzung gespannt bist. Das macht es mir leichter zu entscheiden, an welcher Geschichte ich weiterschreibe … ;-)