Für Dawid

Ihr seid die Bögen, von denen Eure Kinder als lebende Pfeile ausgeschickt werden.
Der Bogenschütze sieht das Ziel auf dem Pfade des Unendlichen,
und Er biegt Euch mit Seiner Kraft,
sodass Seine Pfeile flink und weit gehen können.
Lasst Euer Biegen in der Hand des Schützen aus Freude geschehen.
Denn so wie Er fliegende Pfeile liebt,
so liebt Er auch den Bogen, der gefestigt ist.
Khalil Gibran

Kalligrafie: Claire Barthèlemy-Höfer…

Dieser Artikel sollte ein Geschenk zu Dawids 34. Geburtstag sein und von »Anna und der ersten Großen Liebe« handeln. Aber habent sua fama libelli … wie heißt doch gleich »Blog-Artikel« auf Latein? Schließlich haben nicht nur Bücher ihre eigene Geschichte. Jedenfalls muss ich jetzt erst einmal etwas über besondere Herausforderungen in Verbinung mit zwei verschieden großen Rutschbahnen schreiben.
Was vorher passiert ist? Hier geht’s zur Globetroter-Motte und belgischer Gastfreundschaft … und wie eine kleine Motte schlafen lernte …

Ein Kind glücklich – oder wenigstens zufrieden – zu machen, das keine Langeweile duldet, ist eine besondere Herausforderung. Speziell wenn es um ein Kind geht, das zwei Stunden nach der Geburt seinen Kopf selber hochhalten wollte – und konnte! – mit drei Monaten stand und mit zehn Monaten überall entlanglief, wo es etwas zum Festhalten gab …

Mit drei Monaten …

Wir wohnten in Amsterdam ganz in der Nähe des Vondelparks. Dorthin gingen wir vormittags. Es gab aufregende Mülleimer, die Joris hießen und »Papier hier! Hier Papier!« sagen konnten – echt jetzt! – und schattige Sitzplätze am See unter hohen Bäumen. Matschen, Steine ins Wasser werfen, Enten füttern oder scheuchen … für eine halbe Stunde war das Programm gesichert. Manchmal kamen andere Kinder und ich war immer erstaunt, dass die Mütter offenbar nicht froh waren, wenn ihre Kinder sich selbst oder miteinander beschäftigten, sondern dauernd Sachen riefen wie »Val niet!« oder »Let op het water!«

Einmal war ein kleines Mädchen alleine am Seufer. Ich hielt ein Auge auf sie und gleichzeitig Ausschau nach einem Eltern- oder Großelternteil. Schließlich kam eine junge Frau angelaufen, rief aus der Entfernung aufgeregt »Joke, Joke, waar ben je?«, und als sie ihre Tochter sah, überschlug sich ihre Stimme fast bei ihrem Warnruf »Pas op, je valt in het water!« Offenbar war es ein braves Kind, denn auf der Stelle stolperte es und fiel ins Wasser. Worauf die inzwischen bei ihrem Kind angekommene Mutter schimpfte: »Heb ik niet gezegt, dat je moet opletten?« Opletten! … Ja, aufgepasst, regelrecht gehorcht hatte die nun klatschnasse Kleine, die mindestens eine Viertelstunde selbstvergessen und völlig unfallfrei am Seeufer gespielt hatte …

Rutschbahn im Vondelpark … rauf …

Rutschbahn im Vondelpark … umdrehen …

Rutschbahn im Vondelpark … ankommen …

Anyway… vom See aus gingen wir zum Spielplatz. Dort gab es zwei Rutschbahnen, eine kleine und eine große. Mein Kind konnte noch nicht richtig freihändig laufen, aber es liebte die Rutschbahnen! Er kletterte hoch, drehte sich oben um, rutschte runter, krabbelte zurück … Glück pur.

Mein Job: von der Bank aus über den Rand eines Buches, mit dem ich mein Holländisch verbessern wollte, zuschauen und bei Bedarf beruhigend auf andere Eltern einwirken, die sich irritiert umschauten, wer zu dem kleinen Kerlchen gehören könnte.

Das ging so lange gut bis er beschloss, dass jetzt die große Rutschbahn seine Liga war. Er kletterte hoch, drehte sich oben um, rutschte runter, krabbelte zurück … Glück pur. Mein Job: von der Bank aus zuschauen … mit dem beruhigend auf andere Eltern einwirken war es allerdings aus. Ständig wurde er von vorwurfsvoll umherschauenden Erwachsenen »gerettet«, die sich gar nicht erst die Mühe machten zu prüfen, ob er die Übung mit der Rutschbahn beherrschte oder nicht. Immerhin ließen sich Väter leichter davon überzeugen, dass man für Abenteuer auch mal ein Schramme in Kauf nehmen sollte.

Ich glaube, hier habe ich mein Motto entwickelt »Bricht er sich das Genick oder nur einen Arm?« Im zweiten Fall fand ich, dass das Recht auf freie Abenteuerentfaltung zuständig ist. Andere Eltern konnten das anscheinend zwischen den Buchdeckeln von Pipi Langstrumpf-Geschichten irgendwie besser aushalten …

Zum Glück gab es ja auch noch Oskar. Aber das ist wieder eine andere Geschichte. Und die kommt auch noch vor Anna, Rudger und die Große Liebe …

Falls Dir dieser Artikel gefallen hat, dann lass es mich gerne wissen, per M@il oder einfach hier drunter in einem Kommentar … :-D