Ja, und ich bin Citroënfahrerin. Bekennende Citroën­fahrerin. Ich habe immer diesen unglaublich elegant-schwere­losen Moment nach dem Starten genossen, wenn die Hydro­pneu­matik ihre Arbeit aufnahm. Dieses understatement, selbst in der größten Hektik in dieses fast auf dem Pflaster liegende Fahrzeug zu steigen, das sich in aller Seelenruhe aufrichtete, wenn man den Motor gestartet hatte. Es hatte etwas von einem Löwen, der sich nach seiner Siesta gelassen anschickt eine Gazelle zu erlegen.

kw_armatur-gs
Unser erstes Auto in Amsterdam war eine 10 Jahre alte GS. Mit diesem futuristischen Cockpit und dem Lupentacho, der je nach Geschwindigkeit die Farbe wechselte.

Fünfzehn Jahre später kam ich zurück nach Deutschland und kaufte mir einen CX, die Langversion als Diesel-Break mit sieben Sitzen. Platz genug für zwei eigene und drei Kinder aus meinem Wohnprojekt. Eines Tages fuhr ich mit meinen Söhnen Richtung Süden. Ihr Vater war Rennen auf dem Nürburgring gefahren, und ihre Mutter konnte daher nur eine blasse Figur abgeben. Auf einem abschüssigen Autobahnstück konnten wir über 200 km/h fahren. Einer der Jungs sah das von hinten und für die restlichen 300 km war ich ihr Star. Vor lauter Ehrfurcht verboten sie sich gegenseitig, auf dem Rücksitz zu streiten. Durch die Federung, bei der man weder Ladung noch schlechten Straßenbelag merkte war die Versuchung, zu schnell zu fahren groß. Auf einer Landstraße wurde ich mit 140 km/h in der 70er-Zone geblitzt. Viele Punkte, sehr viel Geld und drei Monate Fahrverbot. Auf der Strecke sehe ich heute noch selbst da Tempolimitschilder wo gar keine sind …

Kurzfristig war ich verhinderte Citroënfahrerin. Ich hatte gerade einen großen Auftrag an der deutsch-niederländischen Grenze angenommen, als mein CX aufgab und ich am Tag vor Silvester ein bezahlbares Auto finden musste. Ich verrate nicht die Marke, nur soviel: asiatisch. Dann fand ich einen dunkelgrünen, charmant französisch lädierten BX-Diesel, mein letzter Citroën mit dieser wunderbaren Pneumatik. Wenn ich noch einmal reich werde kaufe ich mir eine alte DS…..

Natürlich hatte ich auch einen 2CV. Es war ein Cabrio und hieß Arthur-die-Renneule — wegen der roten Scheinwerfer auf der weißen Motorhaube. Mein stärkster Ausflug mit Arthur war eine Fahrt an einem strah­lenden Juli­morgen kurz nach Sonnen­aufgang von Ost­west­falen nach Würz­burg, um die Geliebte meines Mannes vis-à-vis von der Existenz seiner Ehefrau zu überzeugen. (Pardon, mehr gibt’s an dieser Stelle nicht, die Geschichte verdient ein eigenes Kapitel …) Ich flog mit offenem Verdeck und Geklapper von allem was eigentlich niet- und nagelfest sein sollte über die A7 nach Süden. Ich war nicht oder kaum schneller als die LKW. Wenn es bergab ging ließen sie mich überholen, licht­hupten und winkten mir zu, es war göttlich. Ich glaube, wenn sie gekonnt hätten, hätten sie mich im Rudel eskortiert.

Aber ich schweife wieder ab. Zur Zeit bin ich inaktive Citroën­fahrerin. Von Arthur hatte ich mich trennen müssen als mir klar wurde, dass die Rheumabeschwerden in meiner linken Schulter von dem Dauerzug in meinem einfach nicht winterfesten Cabrio kamen. Nach der dritten Fremddame in meiner Ehe hatte ich Mann und Haus adé gesagt, ein Dasein als Single begonnen und einen roten C1-Floh geleast. Ronja – meine vierbeinige Arbeits- und Lebensgfährtin liebte es, sich in den ausgesprochen knapp bemessenen Fußraum zwischen Rückbank und Beifahrersitz zu klemmen. Es war ihre Höhle. Sie blieb auch völlig gelassen wenn jemand vorbeiging, allerdings war die Hölle zu klein für jeden der es wagte, unser Auto anzufassen.

Und dann kam die Sache mit dem Unfall, der Floh hatte nicht die Entschleunigungsdynamik des CX, die mich vor jeder Fahrt daran erinnerte, dass ich entscheide, wie schnell oder eben gelassen ich mich in meinem Leben bewege. Ich war auf einer Nebenstraße unterwegs und sah mir selbst dabei zu, wie ich auf die Hauptstraße und ungebremst vor ein von links kommendes anderes Auto fuhr. Der Floh war Plastikschrott und ich besessen von der idée fixe, in einem neuen Auto wieder einen Unfall zu bauen.

Dabei war dies beileibe nicht mein erster Unfall. Als Beifahrerin war ich mal in einem Auto eingesperrt, das durch Aquaplaning eine Böschung hinabgestürzt war und sich mehrmals überschlagen hatte, und selbst hatte ich das Auto meines Mannes — einen Talbot-Simca-Sunbeam mit einem getuneten Lotusmotor, den man ihm nicht ansah — mit höchsten 40 km/h vor eine Wand gesetzt. Niemand in der Nähe, es war lange vor der Zeit mit mobilen Telefonen. Aus dem Nichts tauchten kleine Jungs auf. Sie saßen wie Krähen oben auf der hohen Mauer und kommentierten mein Unglück als ob es mich nicht gäbe: typisch Frau am Steuer und so. Dann wurde es ihnen zu langweilig, sie kletterten wie Eidechsen die Mauer hinunter und strichen, Hände-in-den-Hosentaschen um das Auto, immer noch war ich Luft. Dann sah einer von ihnen auf das Armaturenbrett und 260 auf dem Tacho stehen. Plötzlich war ich ein Star. Völlig cool gab ich Auskunft wie bei einem Autoquartett, und nachdem sie den Schock über Höchstgeschwindigkeit und Pferdestärken verdaut hatten versicherten sie mir, in einem solchen Auto könne schließlich jedem so ein Missgeschick passieren. Dann rannte einer nach Hause und veranlasste, dass ich von seinem Onkel mit dessen Trecker zur Autowerkstatt seines Cousins gefahren wurde. Glück muss man haben.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAAber jetzt war da diese irrationale Angst. Der Citroënhändler stellte mir sechs Wochen lang kostenlos einen Firmen-Floh zur Verfügung und versicherte, auf einen Kratzer mehr oder weniger käme es nicht an. Aber es änderte sich nichts, die Angst blieb. Schließlich kaufte ich eine uralte, weinrote zx Zsara, die auf dem Weg in die Bretagne die 250.000 km-Marke überfuhr. Im darauf folgenden Sommer kam sie nicht mehr durch den TÜV.

kw_gazelleMeiner Zsara und mir ging etwa gleichzeitig die Puste aus, und als ich begriff, dass ich nicht schon wieder verstärkt urlaubsreif sondern veritabel ausgebrannt war, besann ich mich auf das Ent­schleunigungs­potential meiner alten Gazelle und fahre seither Rad.

Weiterlesen?